Eine Trennung fällt nicht plötzlich vom Himmel. Oft gehen viele Jahre der Entfremdung oder des Kampfes ins Land, bis sich einer der Partner nicht mehr bereit erklärt, so weiter zu leben. Wenn nun die Trennung ausgesprochen wird, kommt meist trotzdem erst einmal der Schock darüber, dass - und das Unverständnis, warum - es so weit hat kommen können.
In diesem Schock steckt meist auch schon viel Angst vor den Veränderungen des Lebens und dem Verlust der Gewohnheiten, gepaart mit Wut über den anderen, der ja scheinbar daran schuld ist.
Wenn die Partner in ihrer Angst und Wut den anderen angreifen – was bei fast allen so ist – kann es keine Klärung und Entwicklung geben. Jeder ist verletzt, hat das Gefühl, schon lange viel zu viel erlitten zu haben und versucht in seiner Kränkung verzweifelt, einen Kern von Selbstwert zu erhalten, indem er sich im Recht wähnt und dadurch kann er die Wahrheit und das Recht des anderen nicht sehen.
Was es nun braucht, ist ein Zurücknehmen der Gefühle und Projektionen zu sich selbst. Was heißt das?
Während unserer Partnerschaft schließen wir – unbewusst oder bewusst – Verträge miteinander ab, in denen wir Verantwortung abgeben an den anderen, und wo der andere – in gewissen Bereichen – eine Art Ersatzmama oder -papa wird. Wenn sich mein Partner von mir trennt (oder umgekehrt), kündigt er diesen Vertrag. Nun beginnt die Konfrontation mit dem eigenen Schmerz darüber, dass der Mensch oder das Lebensmodell nicht mehr da ist, der/das mir Halt, Sicherheit, Liebe, Versorgung versprochen (und gegeben) hat. Bleibe ich im Gedanken, dass ich nur „den Richtigen“ finden muss, damit „es klappt“, so komme ich mit einem neuen Partner bald an die gleichen schmerzhaften Themen.

Der heilsame Weg zu Reifung und Wachstum ist unserer Erfahrung nach, den Schmerz und die Wut zuzulassen und in einem geschützten Rahmen auszudrücken. Darf die Welle von „negativen“ Gefühlen aus mir herauskommen, so bin ich danach klarer und kann in meine eigene Tiefe schauen. Ich komme an den Platz, wo ich meine Sehnsüchte wahrnehmen kann, die ich auf meinen Partner übertragen habe. Er oder sie sollte mir doch das geben, was ich in meiner Kindheit so schmerzlich vermisst habe. Erst wenn ich gewahr werde, was ich wirklich suche, was mein inneres Kind sich wünscht und wo seine Verletzungen sind, kann ich beginnen, die Sehnsüchte zu mir zurückzunehmen. Nicht mein Partner ist für mein Glück bzw. Unglück verantwortlich, sondern ich selber!
Im spirituellen Sinn kann ich vielleicht den Gedanken zulassen, dass dieser Mensch in meinem Leben ist, damit ich genau an dieser Wunde heilen und wachsen kann.

Nur selten gelingt dieser „shift“ nach einer Trennung und die Projektion bleibt bestehen.
Wenn der Schmerz nicht ausgedrückt wird, muss ich weiter dabei bleiben, dass der Partner der „Böse“ ist, der mir das angetan hat. „Du bist schuld“ bedeutet, dass ich verstrickt und in der Wiederholung hängen bleibe
In unserer Kultur sind „negative“ Gefühle leider nicht erwünscht. Trauer wird versteckt, überspielt oder klein geredet. Es braucht aber einen Raum, in dem Wut und Trauer einfach da sein dürfen, gesehen und respektiert werden.
Dann kann meine Seele wieder zu sich selber finden und den Gegenüber gehen lassen – in Frieden.
Früher war es üblich, nach dem Tod des Partners ein Jahr schwarz gekleidet zu sein, mit der Erlaubnis zu trauern. Wie wäre das heute, wenn nach der Trennung die Partner in schwarz (weiß, grau, lila,) gingen und ihnen jeder den Schutzraum für ihre Gefühle gäbe?

Das soll nun nicht heißen, dass alle Projektionen auf einen Partner von da an wegfallen werden. Wichtig aber scheint mir die Bewusstheit darüber, dass wir es tun. Und dass unser Gegenüber ein wichtiger Teil unseres eigenen Systems ist. Was wäre, wenn das alles so sein dürfte?
So wie der Tod zum Leben gehört, gehört auch unsere Projektion dazu und kann uns zu einem tieferen Verständnis von uns selbst und dem Wesen von Beziehung führen.

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